Messgenauigkeit

Wie genau kann die Position eines Schusslochs auf einer Papierscheibe oder einem Papierstreifen bestimmt werden?

Vorweg: Eine 100%ig genaue Messung – egal von was – ist eine Illusion. Ob nun Längen, Zeiten, Gewichte, Stromstärken oder anderes gemessen werden: die Angabe eines Messergebnisses steht nur dann im Einklang mit der „guten wissenschaftlichen Praxis“, wenn ihre Unsicherheit mit angegeben wird.

Die Positionsbestimmung eines Schusslochs ist physikalisch gesehen eine Längenmessung. Jedes Verfahren zur Schussloch-Vermessung hat seine erreichbare Genauigkeit. Diese werden in jeweils eigenen Abschnitten für folgende Messverfahren untersucht:

  • Auswertung mit dem Auge
  • Schusslochprüfer
  • Ringlesemaschinen : Bildverarbeitung von gescannten Scheiben (scanResult, Disag, Rika)

Im Abschnitt Elektronische Anlagen wird ein Vergleich mit dem Schießen auf elektronische Anlagen der Anbieter Disag, Meyton und Sius gezogen, soweit das mit den vorliegenden Informationen möglich ist.

Zunächst aber fasst Tabelle 1 die im Schießsport verwendeten Längen- bzw. Abstandseinheiten zusammen. Damit können die Ausführungen zur Präzision von Schusslochmessungen eingeschätzt werden.

1 Teiler (gemäß Definition) 1/100 mm 0,01 mm
25 Teiler = 1 Zehntelring 25/100 mm 0,25 mm
250 Teiler = 10 Zehntelringe = 1 voller Ring 250/100 mm 2,50 mm

Tabelle 1: Längeneinheiten für Luftgewehrscheiben, bei denen der Abstand zweier voller Ringe bekanntlich 2,5 mm beträgt.

Für Luftpistolenscheiben (Ringabstand 8 mm = 800 Teiler), Kleinkaliberscheiben (Ringabstand ebenfalls 8 mm) und alle anderen Scheiben nach DSB-Sportordnung kann man entsprechende Tabellen erstellen.

Eine für die Auswertung mit dem Auge und die Auswertung mit dem Schusslochprüfer relevante Fehlerquelle ist die Drucktoleranz der Ringe auf den Scheiben. Sie wird in der DSB-Sportordnung für alle Scheibenarten festgelegt. Für Luftgewehrscheiben beträgt die zugelassene Toleranz 0,1 mm, für Luftpistolen- und KK-Scheiben beträgt sie je nach Ring 0,1 – 0,5 mm. Das sind umgerechnet 10 bis 50 Teiler! Anders gerechnet entsprechen die 10 Hundertstel Millimeter Drucktoleranz – beim Luftgewehr – fast einem halben Zehntelring.

Wir werden in den entsprechenden Abschnitten sehen, dass Drucktoleranzen ein weiterer Grund für die Unmöglichkeit sind, Zehntelringe ohne Maschine zu bestimmen.

Auswertung mit dem Auge

Das Auflösungsvermögen eines menschlichen Auges, also der Abstand zweier gerade noch als getrennt erkennbarer Punkte, wird in der Literatur (Stichwort Rayleighkriterium) mit etwa vier bis fünf Hundertstel Millimetern angegeben. Das gilt jedoch nur unter idealen Lichtbedingungen für ein junges, gesundes Auge. Realistisch für die meisten Menschen sind bestenfalls 10-15 Hundertstel Millimeter, und das auch nur eine bestimmte Zeit, denn das Auge ermüdet bei Anstrengung.

Der Vergleich mit Tabelle 1 zeigt, dass eine Teilerwertung mit dem Auge unmöglich ist. Können wir Zehntelringe mit dem Auge erkennen? Schwerlich, denn Zehntelring-Größe und das Auflösungsvermögen des Auges liegen so dicht beisammen, dass der wahre Schusswert und die „Augenmessung“ oft überlappen. Entsprechend häufig ist die Schätzung des Auges falsch. Erschwerend kommt die Drucktoleranz der Scheiben hinzu, sie liegt mit 10 Hundertstel Millimetern ähnlich groß wie das Auflösungsvermögen des Auges.

Weiter kommt hinzu, dass dem Auge meistens der Bezugspunkt fehlt, da auf die Pappscheiben nun mal keine Zehntelringe gedruckt sind. Die Augenauswertung größerer Scheiben als der Luftgewehrscheibe ist unter dem Gesichtspunkt der Auflösung etwas unkritischer, weil deren Zehntelringe signifikant größer sind als dies Auflösung. Beispiel Luftpistole: 10-15 Hundertstel Millimeter Augen-Auflösungsvermögen stehen immerhin 80 Hundertstel mm Zehntelringabstand gegenüber. Damit läge das Auge häufiger richtig als falsch. Nur: Pistolen-Schusslöcher liegen überwiegend nicht in der Nähe der aufgedruckten Ringe, somit fehlt sehr häufig der optische Bezug. Für die Bestimmung der Messgenauigkeit des Verfahrens ‚Auswertung mit dem Auge‘ sollte man einen fraglichen Schuss z.B. von 100 erfahrenen Sportleitern auswerten lassen. Aus den Ergebnissen ließe sich die statistische „Streuung“ als Maß für die Messgenauigkeit berechnen.

Schusslochprüfer

Der Schusslochprüfer ist laut DSB-Sportordnung immer noch die höchste Instanz bei der Schussloch-Auswertung. Sein großer Vorteil ist sein exakter Durchmesser (für Luftgewehr und Luftpistole genau 4,50 mm). Steckt man den Prüfer in ein Schussloch, weitet er es auf den Durchmesser des Laufkalibers auf.

Hat ein Geschoß mit 4,5 mm Durchmesser eine Papierscheibe durchdrungen, „heilt“ das Schussloch an den Rändern nämlich ein wenig. Ein Luftgewehr- oder ein Luftpistolen-Schussloch hat einen Durchmesser von nachmessbar nur ca. 4,4 mm. Die „Verheilung“ macht also etwa einen Zehntelmillimeter aus.

Hier kommt noch eine andere Tatsache ins Spiel: kein Schussloch ist wirklich kreisrund. Tatsächlich verformen die Papierfasern das Schussloch zu einem geometrisch nicht beschreibbaren „Etwas“. Man bedenke auch, dass Papierfasern eine Vorzugsrichtung haben, die sogenannte „Laufrichtung“. Die Papierfasern legen sich bei der Papierproduktion vornehmlich in dieser Richtung ab. Auch von ihr hängt die Verformung des Schussloches ab. Der Schusslochprüfer bringt die Schussloch-Verformung ebenfalls wieder in Ordnung.

Der Schusslochprüfer kam zum Einsatz, als es nur um volle Ringe ging. Für die Zehntelring- und die Teilerwertung ist er wie die Auswertung per Auge nicht geeignet, denn mit Ausnahme der vollen Ringe fehlen auf den Scheiben die Zehntelringe als optischer Bezug. Da hilft auch eine eingebaute Lupe nicht weiter. Auch die Vermessung von Schusslöchern mit dem Schusslochprüfer leidet unter den zugelassenen Drucktoleranzen von 10 Hundertstel Millimetern. Das macht die Bestimmung von Zehntelringen selbst in der Nähe aufgedruckter voller Ringe nicht ernsthaft möglich.

Mit dem im Abschnitt Auswertung mit dem Auge beschriebenen Verfahren ließe sich auch für den Schusslochprüfer die Messgenauigkeit über die Standardabweichung bestimmen. Weil der Schusslochprüfer einige Fehlerquellen ausschaltet, sollte sein Messfehler bedeutend kleiner sein

Scheibenauswertung mit Ringlesemaschinen

Ringlesemaschinen „tasten“ ein Schussloch optisch ab. Sie erstellen ein „Bild“ vom Schussloch und seiner Umgebung. Die Genauigkeit, mit der das geschieht, hängt von der Bildauflösung ab. Sie wird üblicherweise in „dots per inch“ (dpi) angegeben. Das ist die Anzahl der Bildpunkte (= Pixel) pro „inch“ (1 englisches inch = 1 deutscher Zoll = 25,4 mm).

Die Disag-Maschine arbeitet laut Patentschrift mit einer Auflösung von 200 dpi, scanResult mit 300 dpi. Bei 200 dpi beträgt der Abstand zweier Bildpunkte 25,4 mm / 200 ≈ 0,127 mm, also 12,7 Hundertstel Millimeter, bei 300 dpi sind es 25,4 mm / 300 ≈ 0,085 mm, somit ca. 8,5 Hundertstel Millimeter. Das ist nur wenig besser als das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges, das realistisch mit 10 bis 15 Hundertstel Millimeter angegeben wird.

Wenn die höhere Auflösung einer Ringlesemaschine nur einen kleinen Vorteil im Vergleich zum Auge darstellt, was kann die Maschine dann besser? Die Antwort ist einfach: sie braucht keine gedruckten Ringe als Bezug. Deshalb bestimmt sie völlig objektiv außer den vollen Ringen auch die Zehntelringe und die Teiler. Bezugspunkt für jedes Schussloch ist einzig und allein die Mitte des beschossenen Spiegels.

Der Gedanke liegt nahe, die Genauigkeit der Messung durch eine weiter erhöhte Bildauflösung zu verbessern. Diesem Ansinnen muss man folgendes entgegenstellen: Der Rand eines Schusslochs selbst ist unscharf. Für jedes Bildpixel muss entschieden werden, ob es zum Schussloch oder zur Umgebung gehört. Das ist am Bildrand mit Unsicherheiten behaftet. Eine noch höhere Auflösung stellt den per se unscharfen Schusslochrand nur schärfer dar. Man erhielte eine schärfere Abbildung des Unscharfen. Für die Genauigkeit der Auswertung jedoch wäre damit nichts oder doch nur wenig gewonnen.

Es gibt aber einen Trick: man vermisst jedes Schussloch-Bild mehrfach und berechnet den Mittelwert des Teilers (der die Zehntel- und die volle Ringzahl festlegt). Mit der Mehrfachvermessung von Schusslöchern und der Mittelung kann man den Messfehler kleiner machen als ein Pixel: man erobert den „Subpixelbereich“!

Für die Bestimmung der Messgenauigkeit einer Ringlesemaschine lässt man sie eine Scheibe z.B. 100-mal auswerten. Die Streuung der Ergebnisse ist auch bei dieser Methode beschreibbar durch die statistische Standardabweichung der Messergebnisse.

Ist scanResult präziser als Disag? Aufgrund der höheren Auflösung und der häufigeren Mehrfachmessung von scanResult: gefühlt ja. Der rechnerische Beweis steht aber aus. Die Motivation für diese recht aufwändige Arbeit ist nicht groß. Denn Disag hat mit ähnlichen Unsicherheiten zu kämpfen und ist deshalb als Vergleichsmaß letztlich wenig nützlich.

Zulässig als Vergleichsmaß ist nur der Schusslochprüfer. Dafür kommen nur Schusslöcher im Grenzbereich zu vollen Ringen in Frage. Handels es sich also z.B. um eine 8,9 oder um eine 9,0?

Wie dem auch sei, wir müssen die Anforderungen des Zulassungsverfahren des DSB abwarten.

Elektronische Anlagen

Beim Schießen auf elektronische Anlagen gibt es verschiedene Auswertemethoden. Disag setzt auf die Erfassung der Flugbahn des Geschosses mittels Sensoren, Meyton auf das Durchfliegen eines „Vorhangs“ aus speziellen Lichtschranken, Sius auf die Messung entfernungsabhängiger Laufzeiten des Schallsignals eines auftreffenden Geschosses.

Die Firma Meyton gibt auf seiner Internetseite die Messgenauigkeit seiner elektronischen Anlage mit „mindestens 1/10 mm“ an (Seite zuletzt am 29.01.2020 aufgerufen). Ein Zehntel Millimeter sind 10 Teiler, also fast ein halber Zehntelring. Die Messgenauigkeit des – DSB-zertifizierten – Meyton-Systems ist ähnlich groß wie bei Ringlesemaschinen. Für Disag-Anlagen findet man auf einer Händlerseite eine Messgenauigkeit von „unter 5/100 mm“ (www.chiemsee-shooting.de/disag-optic-score-messrahmen.html, zuletzt aufgerufen am 29.01.2020). Das ist etwas, aber nicht so viel besser als bei Meyton.

Zusammenfassung

Die Auswertung von beschossenen Papierscheiben auf Zehntelringe oder gar Teiler ist nicht möglich. Das liegt auch am Auflösungsvermögen des menschlichen Auges, mehr aber noch an fehlenden Bezugspunkten, an denen das Auge sich orientieren könnte. Die zulässigen Drucktoleranzen liegen nur knapp unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze. Eine – mögliche, aber aufwändige – statistische Auswertung dieser manueller Verfahren zur rechnerischen Bestimmung der Messgenauigkeit ist nicht bekannt.

Das Auflösungsvermögen von Ringlesemaschinen für die Scheibenauswertung unterscheidet sich überraschend wenig von dem des Auges. Die rechnerische Bestimmung der Messgenauigkeit erfolgt für scanResult in Kürze nach den Anforderungen, die das Zulassungsverfahren des DSB an das Gerät stellen wird. Abschätzung: sie wird sich im Bereich von 10 Hundertstel Millimetern bewegen. Etwas ähnliches wird auch von den Maschinen der Mitbewerber erwartet und wird ebenfalls geprüft werden. Die Messgenauigkeiten elektronischer Anlagen sind bekannt und liegen mit 5-10 Hundertstel Millimetern in derselben Größenordnung wie der von Scheibenauswertegeräten.

Tabelle 2 fasst die bislang bekannten Messgenauigkeiten von Auswertungsverfahren zusammen.

Messverfahren Messgenauigkeit
Auge *
Schusslochprüfer *
Ringlesemaschinen Muss für scanResult und Disag / Rika zeitnah bestimmt werden.
Meyton Elektronik 1/10 mm = 10/100 mm
Disag Elektronik 5/100 mm

Tabelle 2. Vergleich der Messgenauigkeiten verschiedener Auswerteverfahren.

*Statistische Tests zur Bestimmung dieser Messgenauigkeiten sind nicht bekannt.

Ein Hinweis zum Abschluss: Die Messgenauigkeiten aller Verfahren liegen im Bereich einiger Hundertstel Millimeter, sprich: einiger Teiler. Angaben von Teilern mit Nachkommastellen täuschen eine höhere Messgenauigkeit vor und sind somit nicht zulässig. scanResult wird sich an dieser Praxis nicht beteiligen.